Komplizierte Trauer

„Gerade ist es mal wieder schlimm“, sagt sie, „in der Arbeit kann ich funktionieren, zum Glück, da schalte ich irgendwie um, aber zu Hause ist alles sinnlos. Es fehlt der Halt, und alles kostet so viel Kraft. Und da ist niemand sonst (Katharina hat Eltern, die nicht gut mitfühlen können). Obwohl ich Freunde und Freundinnen habe, aber die fragen nicht mehr nach, wie es mir geht, so als müsste mein Trauer mal langsam vorbei sein.“ Mir fällt mein Leitfaden für dem Umgang mit Gefühlen ein, in dem es darum geht, woher man heftige Gefühle kennt und was damals – und damit auch heute – geholfen hätte.

Julia, das Selbstwertgefühl und das (nicht) ernst genommen werden

Das hört sich nach einem Gefühl der Ohnmacht an, nach Ärger, der nagt und wurmt und sich immer neu entfacht. Da ich die Erfahrung gemacht habe, dass hilfloser Ärger mit dem Selbstwertgefühl oder der eigenen verborgenen Unsicherheit zu tun hat, bitte ich Julia, den Satz zu ergänzen:
„Ich bin es nicht wert, dass…“

Sofort kommt die Ergänzung, „…dass ich ernst genommen werde!“
Auch beim Partner erlebe sie das immer wieder, sie bitte ihn um etwas, und es sei so, als hätte sie nichts gesagt, er mache weiter wie gewohnt. Wie sich das in ihr anfühle, in ihrem „Brustbauchraum?“ (ich mag dieses Wort).
„Wie ein Loch“, sagt Julia. Das habe einen Rand.

Ein weiterer Kommentar zum Thema Gewalt gegen Frauen

Und noch etwas: Dass elende Lebensverhältnisse automatisch zu Gewalt,
Kriminalität, Vergewaltigung führen müssen, ist kein Naturgesetz. Es
gibt und gab Gesellschaften, in denen das trotz des Elends nicht der
Fall ist, wie z.B. die Juden in Osteuropa bis zum 2. Weltkrieg, bei
denen es Verfolgung und einiges an Armut gab, aber von Bandenbildung und
massenhafter Frauenvergewaltigung hat man dort nie gehört.

Kommentar zu “In kenianischen Slums lernen Mädchen sich gegen Gewalt zu wehren”

Denn nicht nur junge Frauen werden in Kibera zu Opfern. Ich habe damals auch einen Mann interviewt, der eine 65jährige Frau vergewaltigt hat. Warum? “Aus Rache an der Gemeinschaft. Weil das Leben im Slum ihm ein anständiges Leben unmöglich macht”, sagte er mir.

„In kenianischen Slums lernen Mädchen, sich gegen Gewalt zu wehren. Mit Erfolg…“

Opfer von Gewalt zu werden liegt an der körperlichen Überlegenheit des Mannes? Falsch, es sind die inneren anerzogenen Überzeugungen der Mädchen. Es verschlimmert die  Lage, wenn man sich wehrt? Falsch, Selbstbewusstsein und Grenzen setzen bringt Erfolg. Wenn man es denn kann, das laut werden und – so banal das klingt – Widerstand zu leisten, zu widersprechen, laut und deutlich.

Alinas Depression, der Schrei und die innere Kraft

Als Alina heute vor mir sitzt, voller unausgesprochener Selbstvorwürfe und Hoffnungslosigkeit, ohne dass sie mir die Gelegenheit gibt, mit ihr wie sonst manchmal über irgendeinen Unsinn zu lachen, frage ich sie nach ihrem körperlichen Befinden hier und jetzt. Und um etwas in Bewegung zu bringen, fordere ich sie auf, sich auf die Spannungen in ihrem Körper zu fokussieren und die Augen dabei ein paar Mal hin und her zu bewegen. Während den Wiederholungen wandert nun die empfundene Spannung nach oben und setzt sich schließlich im Halsbereich fest.

Sie wolle diesen Kloß runterschlucken, sagt Alina. Oder halb runterschlucken und halb nach oben befördern. Als Alina davon spricht und wir beide nicht wissen, wie sie den Kloß loswird, kommt mir die Idee, mit ihr rauszugehen – gleich hinter dem Haus befindet sich eine Wiese am Waldrand –  und sie aufzufordern, das alles, was sie blockiert und bedrückt, rauszuschreien.

Ella, der Nebel und das geerbte Kriegstrauma

„Jetzt geht der Nebel zur Seite“, sagt sie, „Er ist jetzt rechts und links von mir, und vor mir ist ein Weg, weiter hinten ist es hell!“. Spätestens jetzt bin ich mir sicher, dass es nicht Ellas traumatische Erfahrung ist, die sich hier in der Imagination darstellt. Bevor ich etwas Weiterführendes sagen kann, platzt es aus ihr heraus: „Ich sehe meinen Vater!“ und nach einer Pause: „Was hat das denn mit dem zu tun?!“. „Entweder ist es Ihre Angst vor dem Vater oder es ist seine Angst“, sage ich. „Es ist die Angst meines Vaters, ganz sicher! Er war kriegstraumatisiert, er war Jahrgang 1933, er musste für die Eltern, die tagelang im Bunker verharrten, Essen besorgen, er hat oft über den Krieg gesprochen, wir wollten das oft nicht, er hat sich mit Alkohol betäubt und später viel über seine Kriegserlebnisse aufgeschrieben.“

Lähmende Peinlichkeit und wie ich einen Ausweg fand

Ich biege um die Hausecke der Universität München, will auf den Eingang zugehen und halte inne. Ich blicke auf die vielen jungen StudentInnen, die sich in kleinen Gruppen vor allem um den sprudelnden Brunnen scharen. Ein reges Treiben, ein angenehmer, lebendiger Eindruck und dennoch halte ich inne, etwas lähmt mich. Ich hatte mich für einen“Lähmende Peinlichkeit und wie ich einen Ausweg fand” weiterlesen

Heike, die Panikattacken und die Suche nach den Ursachen

Als Heike die Therapie beginnt, hat sie ein klares Ziel: sie will ihre Panikattacken loswerden oder wenigstens besser damit umgehen können. Im Rückblick kommt mir der Therapieverlauf wie ein Krimi vor. Der Täter: unbekannt. Er schlägt aus dem Nichts zu und verursacht höchste Angstgefühle. Etwas Dunkles steigt dann von unten in Heike hoch, ihr Magen“Heike, die Panikattacken und die Suche nach den Ursachen” weiterlesen

Verfluchte Weihnachtsplätzchen

Eine ehemalige Nachbarin hatte mich gefragt, ob sie mir etwas vorbeibringen könne, und so kurz vor Weihnachten nahm ich an, es handle sich um eine kleine Aufmerksamkeit, vielleicht sogar ihre leckeren Plätzchen, und freute mich.Als sie dann mit einer weihnachtlich verzierten Schale mit schön gestalteten Plätzchen vor der Tür stand, verzog sie zunächst keine Miene,“Verfluchte Weihnachtsplätzchen” weiterlesen