Wir wissen nicht, was das ist, der innere Antrieb, wir sind damit geboren, er ist einfach da, mal mehr, mal weniger, wir genießen es, wenn wir Elan haben, und wenn er länger sehr schwach ist, uns lahmlegt und die Freude nimmt, ohne dass wir wissen warum, ohne dass wir das ändern können, dann ist das schwer auszuhalten. Und wenn wir zum Arzt oder Therapeuten gehen, teilt er uns mit, dass wir eine Depression haben. Dann bietet er uns normalerweise ein Antidepressivum an, das oft bei schweren Fällen hilft und ansonsten zu 85 % so gut wie ein Placebo.
Bei Alina halfen die üblichen Antidepressiva bisher kaum oder gar nicht, sie hatte einige bereits ausprobiert. Es gab verstehbare Gründe, warum diese Depressionsphase schwerer war als die vorherigen, aber dass ich das verstand, half Alina nicht und führte uns nicht weiter.
In den Therapiesitzungen hatten wir darüber gesprochen, dass Alina sich keine Schwäche erlaubt und dass sie sich für traumatische Erlebnisse immer selbst die Schuld zuschreibt. Das war fest in ihr verankert. Was half ihr?
In der jetzigen schweren Phase kann sie sich immer mal wieder aufraffen, etwas aufzuräumen oder eine Freundin zu treffen, aber arbeiten kann sie seit ein paar Wochen nicht mehr. Sich zusammenreißen? Das war ihr nicht möglich. Aus dem Bauchladen meiner Methoden und meines therapeutischen Wissens hatte ich schon Vieles versucht, aber es ging ihr einfach nicht besser. Ich war froh, dass sie jede Woche zu unserer Sitzung kam.
Was mir diesmal einfiel, kam mir ganz spontan in den Sinn.
Als Alina heute vor mir sitzt, voller unausgesprochener Selbstvorwürfe und Hoffnungslosigkeit, ohne dass sie mir die Gelegenheit gibt, mit ihr wie sonst manchmal über irgendeinen Unsinn zu lachen, frage ich sie nach ihrem körperlichen Befinden hier und jetzt. Und um etwas in Bewegung zu bringen, fordere ich sie auf, sich auf die Spannungen in ihrem Körper zu fokussieren und die Augen dabei ein paar Mal hin und her zu bewegen. Während den Wiederholungen wandert nun die empfundene Spannung nach oben und setzt sich schließlich im Halsbereich fest.
Sie wolle diesen Kloß runterschlucken, sagt Alina. Oder halb runterschlucken und halb nach oben befördern. Als Alina davon spricht und wir beide nicht wissen, wie sie den Kloß loswird, kommt mir die Idee, mit ihr rauszugehen – gleich hinter dem Haus befindet sich eine Wiese am Waldrand – und sie aufzufordern, das alles, was sie blockiert und bedrückt, rauszuschreien.
Alina ist zunächst nicht begeistert von meinem Vorschlag, lehnt ihn aber auch nicht ab, also stehe ich auf und gehe voraus. Etwas widerwillig folgt sie mir nach draußen. Wir stehen leicht fröstelnd auf dem nassem Gras und wenden uns den Bäumen zu. Alina findet die Situation komisch. Sie schaut sich um. Nein, niemand werde sich gestört fühlen, versichere ich ihr, die Nachbarn sind relativ weit weg und um diese Zeit meistens nicht zu Hause. Ich versuche, sie zu ermutigen und lasse ihr Zeit.
Sie soll mal klein anfangen, schlage ich vor, mit einem kleinen leisen Schrei, der könne helfen, inneren Druck rauszulassen, vielleicht auch das Gefühl zu dem Ganzen, was sie gerade durchmache. „Es reicht“, sagt Alina leise und schaut zu den Bäumen gegenüber. Ich nicke. Das war ein Anfang.
Und wieder, etwas lauter, sagt Alina „Es reicht!“ Das haben die stillen, dunklen Bäume gehört.
„Das war schon ganz gut“, sage ich. Das dritte und vierte Mal wird Alina lauter und dann schreit sie es richtig heraus, „es reicht!“. Das war beeindruckend und hallt in meinen Ohren nach. Alina wirkt etwas erschöpft. Wir finden beide, dass es genug sei. Die Sitzung ist vermutlich fast zu Ende, und wir kehren ins warme Praxiszimmer zurück.
Alina hat jetzt zittrige Beine, sagt sie auf meine Nachfrage, wie kurz vor dem Einknicken, wie wenn man den Berg herunter geht und merkt, dass man nicht mehr kann. Das Gefühl habe sie schon öfter gehabt, auch vor langer Zeit. Ich weiß, dass ich sie in ein paar Minuten gehen lassen muss, die Zeit ist fast abgelaufen, ich muss einen guten Abschluss finden.
Ich frage sie, was sie sich jetzt wünscht.
„Dass mich jemand festhält“, sagt sie zaghaft. „Und dass ich die Kraft, die ja offensichtlich doch da ist, wieder mehr spüren kann“. Darüber freue ich mich, „Kraft, die offensichtlich doch da ist…“. Alina steht auf und geht zur Tür. Ich bleibe zurück mit dem Eindruck von einem kleinen Lichtblick.
Wie dieser Alina genauso geht es mir wenn nicht noch schlimmer . Kaum noch Kontakte keinen zum Reden weil mich auch keiner verstehen will oder auch kann . Keine Freude am Leben mehr Antriebslosigkeit schaffe kaum noch meinen Haushalt . Es gibt auch gute Phasen aber immer weniger . Oft weiß ich nicht wie es weitergehen soll , dann tu ich mich mehr und mehr zurückziehen mag nicht oft rausgehen nur wenn es sein muß . Das Leben ist nicht mehr schön .
MfG. Anett Meszaros