Der Froschkönig und der eiserne Heinrich

„In den alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat“, so beginnt das Märchen vom Froschkönig und dem eisernen Heinrich. Darin verspricht die Königstochter einem Frosch auf sein Begehren, er dürfe an ihrem Tisch sitzen und in ihrem Bett schlafen, wenn er nur ihre goldene Kugel wieder heraufhole, die ihr in den Brunnen gefallen war. Danach schnell nach Hause zu laufen, half ihr nicht, denn am nächsten Tag erschien der Frosch, und trotz Widerwillen der Prinzessin dufte der Frosch mit am Tisch sitzen, denn der König bestand darauf, dass das Versprechen eingelöst wurde. Auch als der Frosch verlangte, dass sie ihn in ihr Schlafzimmer trage, musste sie es auf Geheiß ihres Vaters tun, und sie setzte ihn widerwillig in eine Ecke. Als er aber mit in ihr Bett wollte, warf sie ihn voller Abscheu an die Wand. Als er herabfiel, war es ein schöner Prinz, und er wurde sogleich ihr Gemahl. Auf dem Weg in sein Schloss, in einer Kutsche mit weißen Pferden, auf der hinten Heinrich, der Diener des Prinzen stand, krachte es dreimal laut, und jedes Mal beruhigte Heinrich den Prinzen:  „Das ist ein eiserner Ring, der um mein Herz lag, als Ihr verzaubert wart“. Sie fuhren weiter in sein Reich und wurden König und Königin.  

Auf der Suche nach Interpretationen finde ich bei Wikipedia erstaunliche Sichtweisen:
„So wie erste Erotik nicht lustvoll sein kann, muss auch ein Kind aus mütterlicher Abhängigkeit geworfen werden – …“ (nach Bruno Bettelheim).
„Der Frosch entpuppt sich als Prinz, dem das Mädchen erliegt und damit zur erwachsenen Frau wird.“
Vgl. Kurt Ranke, Rolf Wilhelm Brednich, Hermann Bausinger u. a. (Hg.): Enzyklopädie des Märchens : Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Band 11, Walter de Gruyter, Berlin 2004, S. 486.

Wo nimmt der Autor dieser Zeilen diese Behauptungen her? Weder nehme ich Erotik (außer am Anfang, als die Prinzessin allein im Wald mit ihrer goldenen Kugel spielt) noch eine Mutter noch ein Erliegen der Prinzessin in dem Märchen wahr, sondern einen Vater, der  patriarchalische Strukturen vertritt, sich mit dem garstigen Frosch ohne Rücksicht auf die Gefühle seiner Tochter verbündet. Er rechtfertigt dessen unangemessenes Begehren, obwohl die Prinzessin ihm aus der Not heraus etwas zugesagt hatte. Der Vater beschützt sie nicht und liefert sie einer unannehmbaren Situation aus. Mit einem Frosch sein Bett teilen? Wie eklig!


Die Prinzessin befreit sich, so in die Enge getrieben, vom Gehorsam gegenüber dem Vater, sie gehorcht stattdessen ihren Gefühlen. Sie widersetzt sich den unangemessenen Forderung des Froschs, der als Symbol für unreife männliche Triebhaftigkeit gedeutet werden kann, mit einem aggressiven Impuls – und befreit auch ihn damit. Sie befreit sich selbst vom weiblichen Muster der Anpassung und Unterordnung, sie wird wütend und handelt. Die Erlösung geschieht durch Entschlossenheit und Aggression, nicht durch Hingabe oder einen Zauber. Der Frosch verwandelt sich dadurch, er wird menschlich und ermöglicht Beziehung.
Bisher hat noch jeder, den ich gefragt habe, wie das Märchen vom Froschkönig endet, geantwortet, die Prinzessin werfe den Frosch an die Wand und der werde zum Prinzen. Aber dann muss dieser noch innerlich befreit werden, symbolisiert durch die Figur des Dieners Heinrich, der hinten auf dem Wagen steht, der erst durch das Sprengen der Ketten um sein Herz wieder menschlich fühlen und lieben kann.

Foto: Selmaier

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