Viele kennen den Bestseller von Stefanie Stahl „Das Innere Kind muss Heimat finden“, und ich arbeite schon lange und immer wieder mit dem Symbol des Inneren Kindes, mit dem abgespaltene, schwer aushaltbare Erfahrungen und Verletzungen aus der Kindheit bewusst erfahren und integriert werden können.
Schon lange hat mein humorvoller, kluger Patient Erik eine Schreibblockade, sodass er mit seinen 26 Jahren beruflich nicht weiterkommt. Er hat viel Phantasie, mit ihm kann ich gut mit inneren Bildern und dem „Inneren Kind“ arbeiten.
Diesmal wird Erik in der Stunde wütend auf seine scheinbar unüberwindbare Blockade und zeigt seine Verzweiflung darüber. Was nur mit ihm los sei? Was er machen könne, um sich davon zu befreien? Wir hatten schon einiges versucht.
Heute schlage ich als Symbol für diesen blockierenden Anteil ein Inneres Kind vor, und Erik überlegt und erspürt, was das wohl empfindet.
Der kleine Erik sei überzeugt, dass er keinen Fehler beim Schreiben machen dürfe, deshalb vermeide er es. Er, der große Erik, sieht das Kind als Figur aus Glas. Das erstarrte Kind wolle nicht mit ihm sprechen, weil es ihm nicht vertrauen könne. Das fühlt sich nach einer Sackgasse, nach einem Dilemma an. Was jetzt? Ich muss die beiden in Kontakt bringen und überlege.
„Es braucht vielleicht eine höhere Instanz“, schlage ich dann vor und zähle ein paar auf. Ich fange mit Gott an als Symbol für die universelle schöpferische Energie, und als ich dann – eher spaßhalber – „auf einer Wolke“ hinzufüge, hellt Eriks Gesicht sich auf: Es sei eine Wolke, die helfen könne, die wisse die Wahrheit. Und die sei irgendwie auch in ihm, das gebe ihm Zuversicht.
„Das Glaskind steht im Feuer“, sagt Erik nun tonlos, und er nehme es überall hin mit. Es könne niemandem vertrauen.
Es braucht eine ganze Weile, bis Erik das Kind im Dialog überzeugen kann, dass es ihm vertrauen könne und bis es glauben kann, dass es nicht mehr allein ist. Es bleibe sonst lieber in seiner Höhle. Es würde doch nur Schmerz auf ihn warten.
Endlich, nach gutem Zureden, dass der große Erik verlässlich sei und ihn beschütze, kommt es aus seinem Versteck hervor. Sie umarmen sich. Und das Feuer erlischt.
Und was jetzt? Wohin mit dem Kind, das nun in Eriks inneren Welt lebendig existiert und ein Seelenanteil von Erik geworden ist?
Schließlich findet Erik einen „guten Platz“ für das Kind und bringt es dorthin, auf eine Wiese, zu anderen Kindern. Erik möchte nun von dem Kleinen wissen, was denn das Feuer gewesen sei, das um ihn herum war, und es antwortet: „das war das nicht vertrauen können.“
Das hat mich berührt, weil ich das kenne, so wie viele andere, das sich um etwas sorgen, das Grübeln und nach einer Lösung suchen, das getrieben und blockiert sein, das einen innerlich verzehrt, manchmal verbunden mit brennenden Schmerzen.
Vertrauen zu können ist oft schwer, und etwas ganz Wunderbares, wenn man es nach dem Krisenmodus, in dem man manchmal feststeckt, doch wieder spüren kann. Und wenn man wieder weiß und aushalten kann, dass man Vieles nicht planen und wissen kann. Dass es aber möglich ist, daran zu glauben und darauf zu vertrauen, dass es weitergehen und irgendwie gut werden wird. Dann atmet man auf und ist wieder mit sich und der Welt verbunden.
ohne weitere Worte…
Eine ergreifende Arbeit. Besonders berührend ist, wie sehr die Therapeutin ihr eigenes Erleben einbringt, ohne dabei die notwendige therapeutische Distanz aufzugeben.