Der werfe den ersten Stein

Heute denke ich, dass ich die Geschichten von Jesus, die mir in der Grundschule vermittelt wurden, liebte, weil ich mich darin wiederfand. Da war jemand, ein Mann, der vergöttert wurde und über allem stand, der Partei ergriff für Menschen wie mich: ein Mädchen, das später als Frau leben würde.
Es war mir klar, dass es Unterschiede in den Erwartungen gab, ich hatte schließlich einen Bruder, Hausarbeit machte nur meine Mutter, und auch im Kindergarten waren Jungs und Mädchen nicht gleich.
Jesus hatte nicht zugelassen, dass eine Frau getötet wurde, weil sie etwas Verbotenes getan hatte. Er sollte Recht sprechen und stellte sich auf die Seite der Frau. Die Strafhungrigen verwies er auf eigene Übertretungen. Die Geschichte endete mit „Und sie gingen weg.“ – Was für eine Erleichterung!
Es war für mich wie ein Traum, die männlichen Verfolger, die Überlegenen, loszuwerden! Meinen Bruder und meinen Vater musste ich ertragen, wenn sie es auf mich abgesehen hatten. „Ich hatte in der Familie die A-Karte“, hatte ich neulich am Telefon zu meinem Bruder gesagt, schnell eingeschoben in seine Rede. „Ja, stimmt,“ bestätigte er mit einem kurzen Lachen.
Jesus hatte mit einem einzigen Satz Frieden geschaffen, indem er die scheinbar Gerechten auf das eigene Tun verwies. Und nach Innen, auf das eigene Selbst.

Und es gab noch andere Geschichten, durch die Er mich bestärkt hat.
Er hat mir in meinem Dasein als weiblicher Mensch Rechte zugesprochen.
Er war der Meinung, dass man als Frau nicht dienen und Hausarbeit machen musste.
„Du hast das Bessere gewählt“, sagte er zu Maria Magdalena, die bei ihm gesessen, ihm zugehört und ihn nicht wie Maria, ihre Schwester, als Gastgeberin versorgt und umsorgt hatte.
Das nahm ich dankbar auf, auch wenn mein Verstand sagte: Und wer macht Jesus etwas zum Essen? Dennoch, das schien nicht so wichtig gewesen zu sein.
Also durfte auch ich wählen, ich durfte lernen und wissbegierig sein.

Ein Kommentar zu “Der werfe den ersten Stein

  1. Ich finde auch die Geschichte mit dem ersten Stein die beste in der
    ganzen Bibel!!

    Und dass maria Magdalena lernen durfte, das ist mir anie aufgefallen.
    Aber das muss man aus diesem „Du hast das bessere gewählt“ herauslesen.
    Aber das hat sich noch lange nicht bei allen Christen herumgesprochen.

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