Lea fühlt sich gemobbt – eine Therapiestunde

Als Lea aus dem Urlaub wieder da ist, will sie dringend mit mir über ihre Angst vor ihrer Kollegin sprechen. Sie sitze ihr im Büro gegenüber und reagiere nicht mal mehr auf ein „Guten Morgen“, das sei unerträglich.
Sie habe Angst, dieser Ablehnung wieder ausgesetzt zu sein. Die Kollegin scheine immer schlechte Laune zu haben, weil sie unfreundlich mit ihr spreche – nur das Nötigste. Es sei nicht zum Aushalten!

Erst einmal stehe ich auch etwas hilflos vor diesem Problem und versuche, mir etwas einfallen zu lassen, womit ich, und damit auch Lea, die Situation besser verstehen kann. Ob sie schon versucht habe, mit der Kollegin zu sprechen? Ja, sagt sie, aber die Kollegin habe gemeint, sie habe kein Problem mit mir, sie blockt also ab.

„Welche Farbe hat die Kollegin, wenn sie so unwirsch ist?“, frage ich Lea.
„Ein dunkles Grün“, sagt sie und zieht ihre Augenbrauen zusammen, „oder doch eher ein dunkles Rot“. Und dann gelingt es ihr, das Rot mit dem Atem etwas heller werden zu lassen, womit sich ihr Gesicht langsam wieder etwas entspannt. Das ist ein erster Schritt, um Lea inneren Abstand zu ermöglichen, eine Technik aus der Schmerztherapie.

Ein Rollenspiel könnte helfen, denke ich.  Ich stelle mir nun vor, dass ich diese Kollegin bin, dass ich meine Anträge bearbeiten und nicht gestört werden will. Lea erscheint mir jetzt weich und überaus gefühlvoll, sie will Kontakt und Aufmerksamkeit, und das nervt mich, ich habe viel zu tun.

Wir spielen nun eine Szene, die sich im Alltag öfter wiederholt: Lea möchte etwas von der Kollegin gezeigt bekommen, fragt nach, stößt auf deren Unwillen, auf ein genervtes Aufseufzen und reagiert hilflos.
„Kannst du mir das nochmal zeigen? Das wäre schön!“, sagt sie zu mir als Kollegin. Ja genau, so ist Lea, sie bringt ihr Gefühl in die Bitte mit rein. Wie kommt es rüber, wenn sie das „wäre schön!“ weglässt? Wir wiederholen die Situation ohne diesen Zusatz. Das kommt besser rüber. Als Kollegin kann ich einfach Ja oder Nein oder Später sagen, ich kann sachlich reagieren, ohne mich auf den Kontaktwunsch einlassen oder ihn durch Unfreundlichkeit zurückweisen zu müssen. Lea versteht das Dilemma, dass sie es gut gemeint hat und ein freundliches Klima herstellen wollte, sich aber bei dieser Kollegin zurücknehmen muss. Sie kann jetzt den Konflikt aus der Perspektive der Kollegin wahrnehmen und die Kränkung löst sich auf.

„Es ist wie bei meiner Mutter, der bin ich auch zu gefühlvoll, die bremst mich immer und zieht mich damit runter.“ Lea möchte sich angenommen fühlen, so wie sie ist, mit ihrer sprudelnden Fröhlichkeit und ihren mitunter heftigen emotionalen Turbulenzen. „Ich bin ganz anders als meine Mutter, die ist ein harter Knochen“, sagt sie, und ich denke, dass Lea – wie mit der Kollegin – häufig ihre Bemühungen verstärkt, in eine harmonische Resonanz zu kommen, weil sie das braucht – und ihr Gegenüber reagiert wiederum verstärkt sachlich und realistisch. Dann hängen beide in der Polarisierung fest und der Frust wird für beide immer größer.

Dass kein guter Draht zur Kollegin da ist, wie sie sich das wünscht, kann Lea jetzt akzeptieren, auch wenn ihr das nicht leicht fällt. „Ich bin nun mal ein Sonnenschein“, sagt Lea beim Rausgehen, „aber manchen ist das eben zu viel“. Ich strahle zurück.




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