Ein erfolgreicher Mann in den besten Jahren, Toni, wird von seiner zweiten Frau zu mir geschickt, und obwohl er keine Vorstellung davon hat, wie eine Therapie ihm bei seinem Herzstolpern und den Schlafstörungen helfen kann, kommt er und berichtet von seiner Überlastung. Er lässt mich gleich zu Beginn wissen, dass er eine gute Kindheit und liebevolle Eltern hatte. Er habe ein gutes Leben. Alles sei bestens, er habe nur zu viel zu tun und schaffe zu wenig. Er werde von seiner großen Familie sehr oft gebraucht aber helfe gern.
Nachdem er mithilfe unserer Gespräche ein paar aufwändige Aufgaben delegiert und meine Vorschläge zur Organisation seiner To-Do’s umgesetzt hat, rückt er mit einem weiteren, viel schwierigeren Problem heraus. Seine körperlichen Beschwerden und die Schlafstörungen hätten sich zwar gebessert, aber sein voller Schreibtisch belaste ihn. Er habe einen unerklärlichen Widerstand, seine Post, die Steuererklärung, Anträge und Briefe zu erledigen, sein großer Schreibtisch biege sich quasi unter dem ganzen Papierkram. Er schiebe diese Arbeiten viel zu lange auf und gönne sich aus schlechtem Gewissen keine Freizeitaktivitäten.

Nach meiner Erfahrung komme ich bei diesem Thema mit Techniken nicht weiter – es geht darum, den inneren Widerstand zu verstehen. Toni stellt sich in der Vorstellung vor den vollen Schreibtisch – was löst er aus?
„Ich habe keine Wahl, ich muss das alles erledigen.“ Er nimmt Unruhe in der Herzgegend wahr, sie ziehe in den Kopf. Er bleibt mit der Aufmerksamkeit bei der Unruhe, bis sie sich legt. „Ich möchte ausweichen, aber ich bin niemand, der sich versteckt.“ Ein strenger Belief.
In der nächsten Stunde stellt sich Toni erneut den vollen Schreibtisch vor und nimmt seine Reaktion im Körper wahr: „Ich bin unfähig, herauszufinden, wie sich das anfühlt“, sagt er zunächst, und dann: „Ich spüre Ärger, dass ich das erledigen muss“, und innerlich eine Druckwelle. Er wolle anpacken und spüre etwas, das ihn blockiere, und dann merkt er überrascht: er sei trotzig.
Ob sein Vater in der Kindheit und Jugend streng mit ihm gewesen sei? Toni bejaht das sofort, er habe immer viel Leistung von ihm verlangt.
Toni versteht im Laufe der Gespräche, wie er gestrickt ist: Er bastle gern an Maschinen, Motorrädern und Fahrrädern rum, bis sie wieder funktionierten, und es gehe ihm dabei darum, das hinzukriegen, etwas zu schaffen. Aber damit lustvoll herumzufahren, sei weniger interessant für ihn.
„Kriegen wir das weg?“ fragt er mich, und ich freue mich über diese Frage.
„Auf jeden Fall werden Sie besser mit dem inneren Widerstand umgehen können,“ antworte ich zuversichtlich.
Ich kenne das Problem aus eigener Erfahrung: mit dem Ausweichen kann ich inzwischen einerseits nachsichtiger umgehen und mir andererseits eine Deadline setzen. Und manchmal schaue ich mir beim Aufschieben zu und finde es lustig zu bemerken, was mir alles einfällt, was dringend zu tun ist. Nur um mich als jemand zu sehen, die „so viel zu tun hat“, die sich um alles kümmern muss und die von anderen gebraucht wird, anstatt ganz unspektakulär am Schreibtisch zu landen, wo es einfach darum geht, etwas zu erledigen.